Wir zeigen Mädchen eine Welt voller Möglichkeiten.

Wie Tech-Firmen Frauen an Bord holen können

Kannst du dir vorstellen, dass deine Tochter in einem von Männern dominierten Beruf arbeitet? Julia Braun, Teamleiterin in der Produktionsentwicklung bei ABB, ist ihren Interessen gefolgt und hat sich für ein technisches Studium entschieden. Sie erzählt, was Eltern und Tech-Unternehmen tun können, um mehr junge Frauen an Bord und in Führungspositionen zu holen.

Julia Braun, du arbeitest bei ABB – was ist deine Rolle?

Bei ABB bin ich Teamleiterin in der Produktionsentwicklung am Standort Baden. Ich trage mit meinem Team die Verantwortung für die Infrastruktur in der Produktion. Das heisst, wir führen Prozesse bei neuen Produkten ein, verbessern und entwickeln bestehende Prozesse weiter und richten Arbeitsplätze ein. Wir stellen Tools sowie Hilfsmittel zur Verfügung und stellen die Testinfrastruktur bereit.

Wie viele Frauen seid ihr im Team?

Aktuell bin ich die einzige Frau.

Julia Braun ist Teamleiterin in der Produktionsentwicklung bei ABB (Foto: zVg).

Woran liegt das? 

Die meisten jungen Frauen verlieren wir, weil sie sich gar nicht erst für die technische Richtung entscheiden. In der Schweiz sind Mädchen und Frauen in technischen Lehrstellen und Studiengängen stark unterrepräsentiert, das wirkt sich auf die «Pipeline» von talentierten Fachkräften aus und folglich auf den Frauenanteil in den Unternehmen. Ich denke, das ist ein gesellschaftliches Problem, das schon früh einsetzt: Zum Beispiel reagieren Leute anders auf einen Jungen, der mit einem Elektroauto spielt, als auf ein Mädchen mit dem gleichen Spielzeug.

Was können wir dagegen tun?

Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass Kinder gleich behandelt werden, unabhängig von ihrem Geschlecht. Eltern können bei ihren Kindern die Freude und Neugier für technische Themen wecken. Zum Beispiel LEGO Technic können sie genauso gut einem Mädchen wie einem Jungen schenken. Und auch der Besuch im Technorama kann für ein Mädchen genauso spannend sein wie für ihren Bruder. Zudem kann es sich lohnen, seine Kinder mit Personen in Kontakt zu bringen, die eine technische Richtung eingeschlagen haben und begeistert sind von ihrem Job. Sonst haben wir nur die üblichen Berufsbilder im Kopf, die wir aus Büchern und Filmen kennen. Dabei gibt es so viele Berufe! Und wer weiss, vielleicht springt nach so einer Begegnung der Funke über.

Auch Unternehmen können hier viel beitragen. Zum Beispiel können sie Workshops für Kinder anbieten, um ihnen die verschiedenen Berufe und Wege in der Welt der Technik aufzuzeigen und sie dafür zu begeistern. Ich finde es toll, dass ABB die Erkenntnis gewonnen hat, dass wir den Nachwuchs mit speziellen Angeboten fördern müssen (siehe Box, Anm. d. Red.). Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Ansprache entscheidend ist.

Was meinst du damit?

Häufig höre ich, dass besonders Mathematik eher ein Lieblingsfach von Jungs sei. Gleichzeitig geben viele Unternehmen an, dass gute Noten in bzw. Freude an Mathematik eine wichtige Voraussetzung für einen technischen Beruf sei. Das schreckt viele Mädchen ab. Dabei könnte man das auch anders formulieren, zum Beispiel, dass man gerne tüftelt, nach Lösungen sucht oder Rätsel löst. Auf diese Weise fühlen sich viele Mädchen eher angesprochen.

Mädchen lernen an den Meitli-Technik-Tagen die Welt der Technik kennen (Foto: zVg).

Angebote für Kinder bei ABB

ABB bietet diverse Formate an, während denen Kinder Experimente durchführen und einen Einblick in die Produktion von Produkten gewinnen können:
Ferienpass für Kinder
Meitli-Technik-Tage
Nationaler Zukunftstag
Magic Cube für Schulen

Wie kam es, dass du dich für ein technisches Studium entschieden hast?

Technik hat mich schon immer sehr interessiert. Ich wollte die Verbindung zwischen Chemie, Physik und Mathematik schaffen und mich nicht nur für eines davon entscheiden, sondern für alle. Aus diesem Grund habe ich mich nach dem Gymnasium für ein Studium an der ETH entschieden und dort erfolgreich den Master in Materialwissenschaften abgeschlossen. Das Geschlechterverhältnis im Studium war 30:70. Ich habe keine schlechte Erfahrung mit Kommentaren gemacht, weil ich eine Frau in einem technischen Studium war. Im Gegenteil: Ich erhielt dafür Anerkennung und Lob.

Wie war für dich der Einstieg in die Arbeitswelt der Technik?

Nach meinem Masterabschluss konnte ich bei ABB mit dem Traineeprogramm einsteigen. Es ermöglichte mir, früh in meiner Karriere viele verschiedene Berufe zu sehen und für mich zu entscheiden, wohin mich meine nächsten Schritte führen sollten. Für mich war das ein sehr guter Start. Da Ingenieurinnen und Ingenieure eher sachlich unterwegs sind, habe ich mich von Anfang an sehr wohl gefühlt, weil die Stimmung und Kultur dadurch sehr neutral waren. Das heisst, es spielt hier keine Rolle, welches Hobby du hast oder wie alt du bist, sondern du wirst so wahrgenommen und wertgeschätzt, wie du bist, und die Fakten zählen. In der Zwischenzeit habe ich mir einen Namen als Teamleiterin in der Produktionsentwicklung erarbeitet und werde als kompetente Person wertgeschätzt und bekomme aus meinem Umfeld viele positiven Reaktionen dafür.  

Bei ABB ist auch noch Luft nach oben bezüglich des Anteils an Frauen, wie ABB-Schweiz-Chefin Nora Teuwsen gegenüber SRF sagte. Ihr Ziel: Bis 2030 soll der Frauenanteil in Führungspositionen konzernweit verdoppelt werden auf 25 Prozent. Was macht ABB, um mehr Frauen in die Firma zu bringen?

Da wären zum einen die verschiedenen Traineeprogramme für Absolvierende von Hochschulen, von denen auch ich profitierte und die einen optimalen Einstieg in die Welt der Technik bieten sollen. Gerade mit solchen Programmen gelingt es, mit einer guten Frauenquote zu starten und zukünftige weibliche Vorbilder in spannenden Positionen zu haben. Daneben gibt es bei ABB verschiedene Programme, die zum Ziel haben, Frauen in der Firma untereinander zu vernetzen, damit sie sich gegenseitig inspirieren und bestärken können.

Empowerment ist das eine. Was tut ABB, um die firmeninternen Strukturen frauenfreundlicher zu gestalten?

ABB setzt sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, zum Beispiel mit eigenen Kinderkrippen. Ausserdem wurde ein Elternzeitprogramm eingeführt. Erstbetreuende erhalten 16 Wochen bezahlten Urlaub, Zweitbetreuende 4 Wochen (es kann ausgewählt werden, welcher Elternteil wie viele Wochen bezieht). Alle Mitarbeitenden haben zudem die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten.

Und ganz wichtig: ABB setzt bei den Führungskräften an. Es sind die Führungskräfte, die täglich mit den Mitarbeitenden arbeiten und viel Einfluss auf das Arbeitsklima nehmen können, indem sie als Vorbilder agieren und auch beim Einstellen der neuen Mitarbeitenden nachhaltig die Unternehmenskultur prägen. In Ausbildungsprogrammen für Führungskräfte werden unbewusste Genderstereotype, die wir alle in uns tragen und die unsere Entscheidungen beeinflussen, angesprochen und reflektiert.

Ich leite ja auch ein Team und habe so ein Programm besucht. Dort habe ich den Unterschied zwischen Coaching, Leading und Managing gelernt. Gerade Frauen lassen sich lieber coachen. Coaching unterstützt Personen im Entscheidungsprozess, es empowert also die Mitarbeitenden. Ich finde es angenehm, so zu führen und geführt zu werden. Ich glaube, dass sich auch Männer lieber coachen statt managen lassen.

Das attraktive Vokabular finden: Technik heisst auch tüfteln, Rätsel lösen, Lösungen suchen (Foto: zVg).

Bist du zuversichtlich, dass Tech-Unternehmen in der Schweiz ihren Frauenanteil tatsächlich steigern können?

Ja, absolut. Ich bin aber überzeugt, dass das nicht nur eine Aufgabe für Unternehmen ist, sondern für die ganze Gesellschaft. Jede und jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen und dadurch eine Wirkung erzielen. So ist es wichtig, dass Unternehmen, aber auch wir als Privatpersonen die Familienthematik offen ansprechen und sie nicht als etwas spezifisch Weibliches behandeln, sondern als etwas, das Eltern generell betrifft.

Auch männliche Kollegen, die sich mit dem Thema beschäftigen und helfen, Gender Equality voranzutreiben, sind unglaublich hilfreich. Vielleicht wäre auch das etwas, wofür Unternehmen sich einsetzen könnten: dass sie nicht nur Programme für Frauen anbieten, sondern auch die Männer mitnehmen und motivieren, sich für eine gleichberechtigte Branche einzusetzen.

Das sind Veränderungen, die nicht von heute auf morgen passieren. Was bedeutet das für dich als Frau, die in einer männerdominierten Branche arbeitet?

Als Frau musst du dich nicht unterordnen oder anpassen, aber du musst lernen, damit umzugehen, bis ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis erreicht ist. Es ist schwierig, in einer männerdominierten Welt Männern zu sagen, dass sie sich oder etwas ändern müssen, wenn sie gar nicht recht verstehen, in welche Richtung. Es ist einfacher, Frauen reinzubringen, die die Kultur langsam von innen heraus verändern.

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