Wir zeigen Mädchen eine Welt voller Möglichkeiten.

Wie leben Mädchen in der Schweiz?

Am 11. Oktober stehen Mädchen anlässlich des Internationalen Mädchentags der UNO auf der ganzen Welt für einmal im Fokus. In der Schweiz sind die Lebenswelten von Mädchen, ihre Interessen, Wünsche und Sorgen, jedoch sehr wenig erforscht, wie Gabriella Schmid, Professorin für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Ostschweiz, in einem Interview mit Kaleio sagte. Für entsprechende Studien fehle oftmals das Geld. Kaleio hat die Herausforderung angenommen und nach Studien, Umfragen und Daten gesucht, um einen Einblick in die Lebenswelt von Mädchen in der Schweiz zu bekommen.

Wie erleben Mädchen in der Schweiz ihren Alltag?
Foto: © monkeybusinessimages – GettyImages

Wie viele Mädchen leben in der Schweiz?

Stellen Sie sich vor, alle Mädchen der Schweiz würden zusammen in einer Stadt wohnen. Diese Stadt wäre grösser als Zürich. Das Bundesamt für Statistik (BFS) zählte im Jahr 2019 rund 630 000 Mädchen im Alter von 0 bis 14 Jahren. Etwa die Hälfte lebt laut BFS in einem Haushalt, in dem beide oder zumindest ein Elternteil nicht von Geburt an einen Schweizer Pass hatte. Diese Stadt der Mädchen wäre also sehr divers, auch in Bezug auf Sprachen: Zahlen des BFS aus dem Jahr 2019 zeigen, dass ein Drittel der unter 15-Jährigen zu Hause mehr als eine Sprache spricht, wobei nach den drei grössten Landessprachen Albanisch, Portugiesisch und Spanisch am häufigsten vertreten sind.

Wie gestalten Mädchen ihre Freizeit?

Spielen, Sport und Freund:innen treffen: Das sind laut einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) aus dem Jahr 2019 die häufigsten Freizeitaktivitäten von 6- bis 13-jährigen Mädchen und Knaben. Mädchen tendieren dazu, etwas weniger oft draussen zu spielen und verbringen dafür ein wenig mehr Zeit mit der Familie als Knaben. Beliebt sind bei Mädchen vor allem kreative Tätigkeiten. 76 Prozent der Mädchen verbringen mindestens einmal pro Woche Zeit mit Malen, Zeichnen und Basteln. 42 Prozent machen einmal pro Woche Musik.

Welche Medien nutzen Mädchen?

Die gleiche Studie der ZHAW untersuchte auch das mediale Nutzungsverhalten. Am meisten verbreitet ist bei 6- bis 13-jährigen Mädchen das Fernsehen, gefolgt von Musikhören. An dritter Stelle kommt – im Unterschied zu den Knaben – das Lesen von Büchern. 73 Prozent der Mädchen gaben an, dies mindestens einmal pro Woche zu tun. Weit weniger beliebt als Bücher sind Comics und Zeitungen. Fast die Hälfte der befragten Kinder besitzt ein eigenes Handy, wobei etwas mehr als ein Drittel der Mädchen es vor allem für Fotos und Filme machen benutzt. Das Internet nutzen knapp 60 Prozent der Mädchen mindestens einmal pro Woche.

Über ein Drittel der Mädchen nutzt das Handy vor allem für Fotos und Filme.
Foto: © Daisy Daisy – Adobe Stock Photos

Was erleben Mädchen auf digitalen Plattformen?

Je älter Mädchen werden, desto häufiger nutzen sie Handy und Internet. Doch nicht alles, was Mädchen dort zu sehen bekommen, empfinden sie als angenehm. Bei einer weiteren Befragung der ZHAW von 12- bis 19-Jährigen gaben 55 Prozent der Mädchen an, bereits einmal online von einer fremden Person sexuell belästigt worden zu sein. Die ZHAW beobachtet diesbezüglich bei beiden Geschlechtern einen Anstieg über die letzten Jahre. Je ein Drittel der Mädchen machte zudem Erfahrungen mit Fotos und Videos, die ohne ihre Zustimmung online gestellt wurden, und mit Mobbing auf Plattformen wie Facebook.

Wem vertrauen Mädchen ihre Gefühle an?

Bei Problemen können die meisten Mädchen in der Schweiz auf ihre Familie zählen. Wie der Nationale Gesundheitsbericht 2020 zusammenfasst, können 78 Prozent der 11- bis 13-jährigen Mädchen mit ihrer Mutter über Dinge sprechen, die sie beschäftigen. Bei 53 Prozent ist dies auch mit dem Vater der Fall. Ausserhalb der Kernfamilie scheinen Mädchen ebenfalls auf viel Unterstützung zu treffen. 90 Prozent der 11- bis 15-Jährigen sprechen gemäss dem Gesundheitsbericht mit Kolleginnen und Kollegen über Probleme und können sich auf sie verlassen, wenn etwas schief läuft. Auch zur Lehrperson haben 70 Prozent der 11- bis 13-Jährigen eine vertrauensvolle Beziehung, wobei dieser Anteil in der Pubertät stark abnimmt.

Was denken Mädchen über ihren Körper?

Bodyshaming, also den eigenen Körper abzuwerten, ist unter Mädchen in der Schweiz weit verbreitet, wie eine Umfrage der Gesundheitsförderung Schweiz zeigt. Von circa 300 befragten Mädchen aus der Deutschschweiz und der Romandie im Alter von 13 bis 16 Jahren gaben gerade mal 38 Prozent an, mit ihrem Körpergewicht zufrieden zu sein. Fast die Hälfte gab an, sich zu dick zu fühlen. Auch Jungs hadern mit ihrem Körper, wie die Studie zeigt. Sie fühlen sich aber eher nicht zu dick, sondern zu dünn. Den Grund für die hohe Unzufriedenheit orten die Studienautor:innen unter anderem in den sozialen Medien. Perfektionierte Körper und manipulierte Bilder würden Jugendliche unter Druck setzen.

Wie steht es um die Gesundheit von Mädchen?

Von den 11- bis 15- jährigen Mädchen schätzen 86 Prozent ihren eigenen Gesundheitszustand als gut bis ausgezeichnet ein, wie ein Bericht der Fachstelle «Sucht Schweiz» zeigt. Trotzdem gaben 18,2 Prozent an, dass sie mehrmals wöchentlich an Kopfschmerzen leiden, 13,7 Prozent leiden an Bauchschmerzen und 15,1 Prozent an Rückenschmerzen. An psychischen Beschwerden ist unter anderem Traurigkeit relativ weit verbreitet. 23,8 Prozent der befragten Mädchen fühlen sich öfters bedrückt oder traurig, wobei dies bei den Knaben nur auf 8,8 Prozent zutrifft. 45,4 Prozent der Mädchen sind oft müde, knapp 30 Prozent können schlecht einschlafen und ein Viertel ist oft launisch oder gereizt. Gefühle der Verärgerung und Wut kommen bei 18,7 Prozent der Mädchen regelmässig auf, während dies bei den Knaben mit 14,3 Prozent etwas seltener der Fall ist. Mädchen sind also nicht seltener wütend als Knaben, sondern zeigen dies oftmals anders, wie die Psychotherapeutin Anna Ross in einem Interview mit Kaleio sagte.

Stimmt es, dass Mädchen keine Mathematik mögen?

Die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind bei Mädchen tatsächlich wenig beliebt, wie eine qualitative Untersuchung der Fachhochschule Ostschweiz (FHO) zeigt. Während nur 2 von 26 befragten Zehntklässlerinnen Chemie als ihr Lieblingsfach angaben, waren es bei den Sprachen über die Hälfte. Eine Studie der Akademien der Wissenschaften Schweiz über Gymnasiastinnen aus dem Jahr 2014 bestätigt dieses Bild. Obwohl Biologie noch vor den Sprachen und gestalterischen Fächern als beliebtestes Fach genannt wurde, landeten Physik, Wirtschaft, Mathematik und Chemie auf den hintersten Plätzen. Die Studie liefert eine mögliche Erklärung für diese Tendenz: Die befragten Mädchen fühlten sich in MINT-Fächern deutlich weniger gefördert als Knaben und schätzten ihre Fähigkeiten in diesen Bereichen generell tiefer ein.

64 % der Knaben, aber nur 40 % der Mädchen geben an, in ihrem Interesse an Technik durch ihre Familie stark gefördert worden zu sein. Quelle: Studie der Akademien der Wissenschaften Schweiz. Foto: © insta photos – Adobe Stock Photos

Was für Berufswünsche haben Mädchen?

Bei 9- bis 12-jährigen Mädchen sind Berufe mit Tieren sowie Schauspielerin und Sängerin äusserst beliebt, wie die qualitative Studie der FHO zeigt. Bei älteren Mädchen spiegeln die Berufswünsche teilweise das Interesse an Schulfächern. Zwar ist gemäss einer Umfrage aus dem Jahr 2011 Ärztin der häufigste Wunschberuf von 13- bis 15-jährigen Mädchen, technische oder handwerkliche Berufe tauchen unter den beliebtesten zehn Berufen aber keine auf. Oft genannt werden hingegen Dekorateurin, Lehrerin, Kleinkinderzieherin, Tierärztin, Anwältin, Pflegefachfrau, Coiffeuse, Kosmetikerin und Psychologin. Die Entwicklung der letzten Jahre hat jedoch gezeigt, dass sich zumindest bei handwerklichen Berufen ein Wandel abzeichnen dürfte. So gibt es je nach Region bereits heute mehr junge Malerinnen als Maler.

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