Meistens ist ein Psychotest nur ein Spiel, bei dem man sich einen Augenblick lang auf sich selbst konzentrieren kann. Aber vielleicht ist es gleichzeitig die Gelegenheit, mehr über sich zu erfahren?
Im KALEIO Nr. 7 («Mein Passwort») lade ich die Leser:innen dazu ein, einen solchen Psychotest zu machen. Ich frage: «Was ist der Zugangscode zu deinem Herzen?» Das ist ein Test, der mit wichtigen Bedürfnissen in den Beziehungen zu anderen zu tun hat – dem Bedürfnis nach Sicherheit, Nähe, Akzeptanz, Spass. Allein die Tatsache, dass wir in unserem Umfeld Menschen haben, die uns bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse helfen, ist eine Form von Unterstützung.
Der Psychotest wurde so konzipiert, dass das Ergebnis immer zutreffend ist. Egal, wie ein Kind auf die Fragen antwortet – die Beschreibung, die es nach dem Zusammenrechnen der Antworten liest, wird immer passen. Denn JEDER Mensch hat das Bedürfnis, sich sicher zu fühlen, verschiedene Dinge mit anderen gemeinsam zu tun, sich geliebt zu wissen und Spass zu haben.
Die eigenen Bedürfnisse zu kennen und das vorhandene Unterstützungssystems zu nutzen, sind wichtige Aspekte von Reife und Zeichen der Selbstfürsorge. Dieser Test ist eine Möglichkeit, um zu sagen: Es ist wichtig, dass Bedürfnisse, selbst die kaum sichtbaren, als vollkommen natürlich wahrgenommen werden.
Und warum ein Psychotest?
Ganz einfach: Die meisten von uns lieben Psychotests! Sie erlauben es, sich einen Augenblick lang mit dem zu beschäftigen, was uns am meisten interessiert und beansprucht – mit uns selbst!
Das ist kein Witz – viele Studien deuten darauf hin, dass unser Ich und alles, was damit zusammenhängt, einen besonderen Platz in der Verarbeitung von Informationen einnehmen.
Zum Beispiel filtern wir aus einem Gewirr von Wörtern problemlos die heraus, die sich auf uns beziehen. Und im Trubel eines Anlasses lässt uns unser Name aufhorchen, den eine Freundin ganz am anderen Ende des Raumes nennt. Was uns betrifft, hat hohe Priorität. Und obwohl wir am meisten über uns selbst wissen, bleibt es ein faszinierendes Unterfangen, noch mehr zu erfahren.
Die Frage «Wer bin ich?» ist im Übrigen eine der wichtigsten Fragen, die wir uns im Zuge unserer Entwicklung stellen. Noch dazu ist es eine ganz schön schwierige. Die Zeit der Pubertät, in der diese Frage eine besondere Macht hat, wird sogar als «Krise» bezeichnet.
Welcher Typ bist du?
Für diese Frage interessieren sich viele Menschen, weil sie vielversprechend scheint und an viele verschiedene Bedürfnisse rührt. Vielleicht erfährst du so etwas Spannendes über dich – etwas, durch das du deine Selbsteinschätzung verbessern und dein Selbstwertgefühl stärken kannst? Oder vielleicht hilft es dir, dich selbst besser zu verstehen? Sich in eine Kategorie einzuordnen, zum Beispiel in die Kategorie «introvertiert», kann auf bestimmte Weise hilfreich sein. Beispielsweise kann dir plötzlich klar werden, warum du manchmal Dinge tust, die anderen als merkwürdig und schwer zu akzeptieren erscheinen (z. B. nicht ans Telefon zu gehen).
Wenn dies Verhaltensweisen erklärt und ihnen eine Berechtigung verschafft, dann bedeutet das auch, dass künftiges Verhalten vorhergesehen werden kann. Dank solcher Etiketten, die von unterschiedlichen Menschen einigermassen ähnlich verstanden werden, ergeben sich neue Möglichkeiten, wie man mit anderen über sich sprechen kann. Vielleicht bist du sogar erleichtert, da du ein stärkeres Bewusstsein dafür hast, dass du zu einer Gruppe von Menschen gehörst, denen es ähnlich geht, die ähnlich fühlen und erleben. Vielleicht teilen aus diesem Grund viele Menschen gern die Ergebnisse von Psychotests auf Social Media.
Vom Spiel zur Diagnose
Es gibt natürlich unterschiedliche Tests. Im Rahmen einer psychologischen Diagnose werden viele Instrumente mit genau überprüften Eigenschaften und erwiesener Messqualität verwendet. Dennoch ist unser Vertrauen selbst in die Ergebnisse dieser Instrumente bis zu gewissem Grade begrenzt. Kaum eine Psychologin wird auf der Grundlage eines Testergebnisses etwas «mit vollständiger Sicherheit» sagen.
Psychotests, die im Internet oder in Magazinen veröffentlicht werden, sind meistens nur zum Spass. Den Ergebnissen sollte man nicht zu viel Bedeutung beimessen. Doch selbst bei einem Spiel, dem die Leserin oder der Leser Aufmerksamkeit und Engagement schenkt, kann etwas Wichtiges ausgesagt werden.