Wir zeigen Mädchen eine Welt voller Möglichkeiten.

Mehrsprachigkeit ist ein Schatz

Die Schweiz hat offiziell vier Landessprachen. Dennoch werden in unserem kleinen Land noch viel mehr Sprachen gesprochen. KALEIO ist der Meinung, dass diese Mehrsprachigkeit ein echter Reichtum ist, und dass wir Kindern auch ausserhalb der Schule die Neugier an Sprachen und den Respekt vor anderen Menschen vermitteln können, indem wir sie diesen Schatz entdecken lassen.

Ich, Cyrielle von KALEIO, liebe Deutsch, Niederländisch und Schwedisch. Für mich sind es Sprachen, die «kratzen». Griechisch und Arabisch beeindrucken mich, aber ich habe nicht unbedingt Lust, sie zu lernen. Englisch und Italienisch (das ich einigermassen beherrsche) gefallen mir, aber mit einem leichten Gefühl der Distanz. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Flüssigkeit (in meinen Ohren) mich zu sehr ans Französische erinnert, das meine Muttersprache ist?

KALEIO-Rubrik «Wortreich»

Aus Leidenschaft für das Verbindende und die Reibungen, die sich zwischen den Sprachen und dem Zusammenleben in der Schweiz abspielen, habe ich bereits in der ersten Ausgabe des Magazins KALEIO die Rubrik «Wortreich» ins Leben gerufen. Seit zwei Jahren baut diese Rubrik (bescheidene) Brücken über den Röstigraben, diese unsichtbare Sprach- und Kulturgrenze, die in der Schweiz die westschweizer Kantone von den deutschschweizer Kantonen trennt. Das Ziel: Mittels Humor, Spielen und Alltagsbezügen die Sprache der Nachbarinnen und Nachbarn (je nach Leserschaft Französisch oder Deutsch) vorstellen und ihnen ihre spielerische, kuriose oder lustige Seite aufzeigen – ausserhalb des schulischen Rahmens.

Der Wunsch nach dieser Rubrik entspringt meiner eigenen Erfahrung und den vielen Gesprächen, die ich mit anderen Menschen und auch mit meinen Kolleginnen von KALEIO geführt habe. Das Erlernen der französischen Sprache für Deutschschweizer:innen und der deutschen Sprache für Romands ist für die Kinder (zu) oft (und manchmal nur) gleichbedeutend mit Grammatik, Vokabeln, Tests, Noten, Stress… Nicht selten kommen sie sogar zum Schluss, dass «es nichts bringt». Und in gewissem Sinne haben sie auch Recht! Denn wenn man diese Sprache nicht im Alltag verwendet, wozu «dient» dann Französisch beziehungsweise Deutsch? Nichts! Was Sprachkenntnisse in der Zukunft für Vorteile mit sich bringen können (Sprachaufenthalt, Lebenslauf, zukünftiger Beruf), das ist für Kinder noch zu abstrakt. Und seien wir doch mal ehrlich: Wir werden mit Englisch überflutet (Internet, Werbung, Filme…). Das ist nützlich! Was nützt es, sich den Kopf über Berge von Ausnahmen in der französischen Sprache zu zerbrechen oder zu versuchen, diese Sache mit dem Verb am Satzende im Deutschen zu verstehen?

Illustration : Laura D’Arcangelo, Kaleio Nr. 9 : Regenbogen

Das Problem der «Nützlichkeit» von Sprachen

Hier sind wir womöglich auf den Kern des Problems vorgestossen – oder zumindest auf einen Teil davon. Denn Sprachen werden Kindern (und Erwachsenen) immer als etwas Nützliches präsentiert – Erfolg in der Schule, Arbeit finden, Reisen –, aber fast nie als eine Möglichkeit, sich selbst und andere zu verstehen. Denn der Wortschatz und die Struktur einer Sprache haben einen Einfluss darauf, wie wir denken und wie wir die Welt erfassen! Wir nähern uns den Sprachen durch die Brille der Nützlichkeit, fragen aber nur selten nach den Emotionen, die die Musik der Wörter oder die «Aura» einer Sprache in uns erzeugen kann.

Wisst ihr, warum sich französischsprachige Menschen beim Sprechen so oft gegenseitig unterbrechen? Sobald ich einen Satz beginne (Subjekt + Verb + …), weiss mein Gegenüber sofort, worauf ich hinauswill, und kann mich unterbrechen, um seinen/ihren Gedanken zu teilen. Im Deutschen ist es genau umgekehrt: Alle warten geduldig, bis der Endpunkt und das berühmte Verb am Ende gesetzt sind – denn ansonsten ist es fast unmöglich, sich der Aussage des Gegenübers sicher zu sein. Fazit: Diese Anekdote ist spannender und differenzierter, als das Klischee, dass Deutschsprachige kalt und Französischsprachige unhöflich sind! Gut zu wissen für das Zusammenleben, oder?

Habt ihr euch schon einmal gefragt, welche Sprache(n) ihr sprechen, verstehen oder lernen möchtet? Welche Emotionen, Erinnerungen oder Sehnsüchte weckt der Klang und das Sprechen dieser Sprache(n) in euch?

Illustration : Laura D’Arcangelo, Kaleio Nr. 7 : Mein Passwort

Eine Fremdsprache zu sprechen ist magisch

In unserem kleinen KALEIO-Team sprechen wir insgesamt acht verschiedene Sprachen: Deutsch, Französisch, Polnisch, Schwedisch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Niederländisch. Für uns sind Sprachen nicht nur nützlich, sondern wir erachten sie auch als grundlegend, da sie ein wichtiger Teil der kulturellen Landschaft der Schweiz sind. Sprachen ermöglichen uns, die Menschen, die um uns herum leben, ihre unterschiedlichen Hintergründe und unsere gemeinsamen Geschichten zu verstehen. Sie ermöglichen uns, unsere Wege und Empfindungen zu vergleichen und unsere Art zu kommunizieren aus der Distanz zu betrachten. Sprachen sind also keineswegs nur grammatikalische, sondern auch emotionale und soziale Türen von grossem Wert!

Das gilt sogar für unsere eigene Muttersprache! Wer hat z. B. nicht auch schon eine Debatte über die Wahl eines bestimmten Wortes geführt, weil die Anwesenden einen unterschiedlichen Dialekt sprachen? Ein anderes Beispiel: Wie und warum entscheiden wir, ob wir in einer E-Mail «Freundliche Grüsse», «Beste Grüsse» oder «Liebe Grüsse» verwenden?

Eine Sprache zu sprechen ist zwar magisch und wird im Erwachsenenalter mehrheitlich als Vorteil angesehen, doch für Kinder gilt dies nicht immer. Eine Lehrerin erzählte uns, dass sich auch heute noch einige Schülerinnen und Schüler schämen, wenn sie zu Hause eine bestimmte Fremdsprache sprechen. Das ist wirklich traurig! Denn niemand sollte seinen kulturellen Hintergrund verstecken oder sich dafür zu schämen brauchen. Eine Sprache zu sprechen ist ein wahrer Reichtum, und obwohl man sie als «weiche Wissenschaft» abtut, erfordert sie auch eine Form von logischem Denken – genau wie das Knacken eines Codes oder das Lösen eines Rätsels.

Jedes Kind, das mehrere Sprachen spricht, sollte stolz auf sein Wissen sein. Unter anderem aus diesem Grund haben wir beschlossen, die Rubrik «Wortreich» im KALEIO Magazin weiterzuentwickeln. Seit Ausgabe 12 stellen wir in der Rubrik jeweils eine der vielen Sprachen (ausser Deutsch und Französisch) vor, die in der Schweiz auch gesprochen werden, und zwar durch die Worte unserer mehrsprachigen Leser:innen. Auf diese Weise hoffen wir, den Kindern zu zeigen, dass die Mehrsprachigkeit und die daraus resultierende Multikulturalität, in diesem Fall in der Schweiz, spannend und überall um uns herum vorhanden sind. Und dass diese «Menschen», die andere Sprachen sprechen, wie du und ich sind!

Wer weiss, vielleicht können wir mit dieser Kolumne nicht nur ein positives Miteinander fördern, sondern auch unsere Leser:innen dazu anregen, diese oder jene neue Sprache zu lernen oder zu erforschen?


Traduction: Martina Polek

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