Wir zeigen Mädchen eine Welt voller Möglichkeiten.

Über Sprache zu mehr Diversität in Firmen

Divers zusammengesetzte Teams arbeiten besser. Deshalb suchen Firmen weibliche Fachkräfte. Doch statt Bewerberinnen anzuziehen, verschrecken sie diese schon mit der Stellenanzeige. Nadia Fischer und Lukas Kahwe Smith wollen das ändern. Mit witty works. Das Schreibtool hilft Firmen dabei, Voreingenommenheiten zu erkennen und inklusiver zu schreiben.


Nadia Fischer hat internationale Beziehungen studiert, spricht vier Sprachen und ist überzeugt: Sprache ist ein mächtiges Werkzeug auf dem Weg zu mehr Inklusion und Diversität in der Arbeitswelt.Seit zwölf Jahren ist sie im Tech-Bereich tätig. Nadia Fischer ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Zürich.

Nadia Fischer von witty works (20.05.2019, Zürich)

Nadia, warum brauchen Tech-Firmen ein Sprachtool?

Oft geht es in den Debatten um die Gleichstellung darum, was die Frauen machen müssen, damit sie in die Tech-Branche kommen. Wir haben uns gefragt: Was müssen die Unternehmen ändern, damit sich die Frauen angesprochen fühlen? Das funktioniert über Sprache. Die Schweizer Verhaltensökonomin und Professorin an der Harvard Kennedy School Iris Bohnet* hat in ihren Studien aufgezeigt, dass es in den Rekrutierungsprozessen noch viele unbewusste Bias, also tief verankerte Vorurteile, gibt. Diese halten Frauen stark zurück. Dabei bewerben sich im Schnitt 40 Prozent mehr Frauen, wenn Topausschreibungen inklusiv geschrieben werden.

Sprechen wir zuerst von den Vorurteilen. Welche sind das zum Beispiel?

Wenn eine Frau zum Beispiel selbstbewusst auftritt, dann empfinden wir sie als arrogant. Ein Mann wird als kompetent bewertet. Das hat das Heidi-Howard-Experiment deutlich gezeigt. Darin wurden Studierende mit einer Fallstudie konfrontiert. Beschrieben wird eine Geschäftsfrau namens Heidi Roizen, die zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Silicon Valley aufsteigt. Die Studierenden stuften sie durchweg als unsympathisch und arrogant ein. Ersetzt man den Namen Heidi aber durch Howard, ändert sich die Sicht. Howard galt plötzlich als überaus kompetent. Was bei Howard als visionär galt, wurde bei Heidi als Selbstinszenierung wahrgenommen. Das ist auch heute noch so.

Wie trägt witty works dazu bei, diese Bias zu erkennen und zu verändern?

Witty ist ein Browserplugin. Während ich schreibe, analysiert es den Text und unterstreicht Wörter, hinter denen ein Bias liegt. Wir gehen natürlich davon aus, dass die meisten sich nicht bewusst sind, dass sie jemanden ausgrenzen, sei es jetzt Frauen oder auch Menschen mit Behinderungen, People of Color, Menschen mit Migrationsgeschichte etc. Mit witty versuchen wir, so viele Diversitätsdimensionen wie möglich abzudecken. Inzwischen sind es schon mehr als 50 Bias, die witty erkennen kann. 

Witty erkennt automatisch unbewusste Vorurteile in der Sprache, unterstreicht diese und bietet Alternativen an. Foto ©witty

Welche sind das zum Beispiel?

Steht in einer Stellenanzeige das Wort «ehrgeizig», wird witty es unterstreichen, da sich kooperativ denkende Menschen davon nicht angesprochen fühlen. Dies ist auch der Fall bei sogenannter «agentischer» Sprache, also Sprache, die das eigene Fortkommen über Zusammenarbeit stellt. Das sind dann Wörter wie «übernehmen» oder «entschlossen», aber auch in Superlative reichende Übertreibungen. Dazu gibt es Studien von der TU München und Harvard, die zeigen, dass zum Beispiel die Generation Z sich davon nicht mehr angesprochen fühlt.

Stichwort Gen Z: Gerade in der Berufswahl gibt es hier einen grossen Genderbias. Mädchen gehen noch immer sehr häufig in Pflegeberufe oder in Richtung Sprachen, die Buben entscheiden sich für Berufe im Tech-Bereich. Liegt das auch an unserer Sprache?

Das hängt vor allem sehr stark mit der Sozialisierung zusammen. Hinzu kommt, dass das Thema Berufswahl in der Schule zu einem sehr schlechten Zeitpunkt kommt. Es beginnt in der sechsten Klasse, in einer Phase, in der Kinder am anfälligsten sind für Gruppenzwänge. Die Kinder wachsen aber tatsächlich auch mit einem bestimmten Vokabular auf. Daran gewöhnen wir uns und schleppen es völlig unbewusst mit ins Erwachsenenalter.

Um welche Begriffe geht es da zum Beispiel?

Die Jungs werden mehr auf Wettbewerb und Mut sozialisiert und die Mädchen mehr auf Ehrlichkeit und Zusammenarbeit. Im Umkehrschluss bedeutet das: Jungen fühlen sich von Wörtern, die Wettbewerb zum Ausdruck bringen («Du bist stark, leistungsorientiert, …») eher angesprochen als die Mädchen. Hier sieht man ganz deutlich: Sprache schafft Realität. Vieles ändert sich natürlich im Moment, weil sich viele Eltern der Problematik bewusst sind. Aber man sieht es immer noch auf dem Spielplatz. Die Mädchen werden dazu animiert, miteinander zu spielen und Kompromisse zu finden. Jungen müssen halt gegeneinander rennen und schauen, wer der Schnellere ist.

Es gibt keine festen Regeln für eine inklusive Sprache – woran orientiert ihr euch?

Wir arbeiten zusammen mit Vereinen, Verbänden und Interessengruppen, die spezialisiert sind auf eine bestimmte Diversitätsdimension. Das Vokabular in Bezug auf Menschen mit Behinderung im deutschen Bereich haben wir zum Beispiel mit der Organisation My Ability erarbeitet. Ausserdem haben wir eine Linguistin im Team, die spezialisiert ist auf inklusive Sprache.

Ihr habt am Anfangvor allem Diversity-Trainingsangeboten. Reicht das nicht aus, um die Mitarbeitenden zu sensibilisieren?

Das Problem daran ist: Die Leute hören das einmal und haben dann das Gefühl, es verstanden zu haben. Zwei Tage später ist der Effekt wieder verpufft und es kommt zu einem Over-Confidence-Bias. Du glaubst dann, du hast deine Vorurteile im Blick, dabei findet das alles unterbewusst statt. Die negative Konsequenz ist, dass die Situation eigentlich schlechter wird. 

Was genau macht witty anders?

Neben dem Plugin bieten wir Workshops an, um überhaupt erstmal zu erklären, woher Bias in der Sprache kommen und wieso inklusive Sprache für Unternehmen heute so wichtig ist. Das wird immer sehr gut aufgenommen, denn die Leute merken, dass es weit über den Genderstern hinausgeht. Alle zwei Monate organisieren wir ausserdem ein Meeting mit den Verantwortlichen, in dem wir uns gemeinsam die Analysen anschauen und überlegen, wie das Unternehmen diverser und inklusiver werden kann. Uns war von Anfang an wichtig: Wir wollen nicht nur ein Schreibinstrument entwickeln, sondern die Kultur hin zu mehr Inklusion nachhaltig verändern.

Nadia Fischer und Lukas Kahwe Smith mit ihrem aktuellen Teamin Zürich. Foto © witty. Gegründet hat Nadia Fischer witty works ursprünglich mit zwei weiteren Frauen. Lukas Kahwe Smith kam später dazu.

Weiterführende Informationen:

Mehr Infos über wittyworks gibt es auf ihrer Webseite. Die Basisversion des Plugins steht gratis zur Verfügung und gibt es derzeit auf Deutsch und Englisch.

Buchempfehlung:

Iris Bohnet: What works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann. 381 Seiten, erschienen 2022 im C.H. Beck Verlag

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