Am Anfang stand nur eines fest: «Wir wollten ein Magazin herausbringen, das den Mädchen zeigen würde, dass ihnen die Welt offen steht und dass sie sich nicht durch Geschlechterstereotype einschränken lassen sollen», sagt Joanna Czeczott. Die Journalistin ist einer der neun Frauen, die in Polen das Magazin KOSMOS gründeten. «Mädchen sollen wissen, dass sie ihren Weg frei nach ihren Fähigkeiten und Leidenschaften wählen können.»
Eigentlich war KOSMOS nur ein Arbeitstitel. Genauer gesagt der Name einer Facebook-Gruppe, die eine der Frauen ein paar Monate zuvor gegründet hatte. Den Ausschlag gab ein Bericht in einem polnischen Magazin über eine ähnliche Initiative in den USA. Dort hatte eine Journalistin ein Heft für Mädchen lanciert, nachdem ihre Tochter aus dem Kindergarten heimkehrte und ihr eröffnete, dass der Weltraum nur für Jungs sei. Auf die erstaunte Nachfrage der Mutter erklärte die Tochter, dass ein paar Freunde Astronauten im Weltraum spielten und sie mit ebendiesem Satz vom Spiel ausgeschlossen hätten.
Zum Scheitern verurteilt
Nur ein dummer Spruch? «Leider ist es mehr als das», sagt Joanna. Geschlechterstereotypen, die vor allem Mädchen in ihrer Entfaltung einschränkten, seien leider Realität – auch in Polen. Rund 100 Männer und Frauen, die derselben Meinung waren, formierten sich in der Facebook-Gruppe. Nach drei Treffen waren noch neun Frauen übrig – die neun Gründerinnen von «KOSMOS für Mädchen». Das war 2016. Das Problem war nur, dass ihnen ein Produkt vorschwebte, dass schlicht nicht rentieren konnte.
«Mädchenheftchen gab und gibt es natürlich zuhauf», sagt Joanna. Nur seien die alle rosarot, würden den Mädchen Tipps geben, um besonders nett und beliebt zu sein, und verschenkten Schminkutensilien. «Als ob es die einzige Lebensaufgabe von Mädchen wäre, schön zu sein und sich um andere zu kümmern», meint Joanna kopfschüttelnd. «Wir wussten, wir wollten ein qualitativ hochstehendes Magazin, sowohl inhaltlich als auch grafisch.» Ausserdem sollte es im Heft keine Werbung haben.
Deshalb gründeten die neun Frauen eine Stiftung und konzentrierten sich erst einmal aufs Fundraising. Dabei kam ordentlich was zusammen. Private, aber auch staatliche Stellen spendeten, und eine sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne schlug ein wie eine Bombe. Die Idee überzeugte, sodass das erste KOSMOS-Magazin 2017 erscheinen konnte. Seither landeten rund 150 000 Hefte in den Händen von Mädchen in ganz Polen – sowohl in den Städten wie auch auf dem Land.
Eine Stimme für Mädchen
«Bisher hatten Mädchen in Polen keine Lobby», sagt Joanna. Dank KOSMOS hat sich das geändert. Die Stiftung ist mittlerweile zu einer zivilgesellschaftlichen Stimme geworden, die sich für die Interessen von Mädchen einsetzt. Dazu gehört auch, dass die Stiftung Daten und Studien über die Situation von Mädchen in Polen sammelt. «Zum Teil ist es ziemlich traurig, was wir erfahren», sagt Joanna.
Etwa jene Untersuchung, die dieselbe Umfrage in Kindergärten und bei älteren Schulkindern durchführte: Den Befragten wurde erst eine Person mit grossartigen Fähigkeiten beschrieben. Danach sollten sie sagen, wer diese Person sei. Während im Kindergarten ein grosser Teil der Mädchen an eine Superheldin dachten und die Buben an einen Superhelden, sah die Situation in den Schulen anders aus. Dort kam den Mädchen ebenfalls spontan ein Superheld und nicht mehr eine Superheldin in den Sinn.
Dem will KOSMOS entgegenwirken. Es spricht explizit Mädchen im Alter zwischen sieben und zwölf an, eine Altersgruppe, in der Geschlechterstereotypen zu Beginn noch viel weniger verankert sind. Das würde sich im Verlauf der Jahre jedoch rasch ändern. Rollenbilder und typische Charaktereigenschaften für Mädchen würden den Kindern suggeriert und eingeimpft, zum Beispiel durch Lehrpersonen, aber auch Eltern. «Meist geschieht das eher unbewusst und ohne böse Absicht», sagt Joanna.
Energetisches Magenta schlägt blasses Rosa
Wer KOSMOS in den Händen hält, dem fällt eines jedoch sofort auf: Das Logo des Magazins ist mit einem hellen Purpur unterlegt. Ist das nicht sehr klischiert? «Eher ironisch», meint Joanna. «Die Farbe ist 100 Prozent Magenta. Mit diesem superenergetischen Magenta schlagen wir auf dieses puderzuckerige Rosa ein, das den Mädchen immer zugeschrieben wird.»
Dabei gehe es ihnen nicht darum, dass alle Leserinnen nur noch Fussball spielen und Ingenieurinnen werden sollten. «Wir wollen den Mädchen nicht alles Rosarote austreiben», sagt Joanna. «Unsere Botschaft lautet: Seid, wer ihr sein wollt, und vergesst nicht: Ihr seid stark, so wie ihr seid.»