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Unsere Kinder durch die Pubertät begleiten

Die Pubertät ist eine wichtige Phase im Leben. Sie ist für jede/n Jugendliche/n anders und einzigartig und bringt viele Veränderungen, Zweifel, Fragen und Konflikte mit sich. Wie können wir Jugendliche vor und während der Pubertät am besten begleiten und uns auch als Erwachsene darauf vorbereiten? Tipps zur Entmystifizierung der Adoleszenz gibt Stéphanie Torrisischild, Doula, Gründerin von Lunado und Workshopleiterin

Hashtagviedeparents: Stephanie, um ganz konkret zu beginnen: Wann findet bei MädchenundJungen der Übergang in die Pubertät statt?

Die Pubertät ist eine Übergangszeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Bei Mädchen beginnt sie im Alter von 8-12 Jahren, bei Jungen im Alter von 10-14 Jahren. Man erkennt sie an einer Reihe sichtbarer und unsichtbarer Zeichen.

Bei Mädchen ist das allererste sichtbare Zeichen dieser Metamorphose meist das Wachstum der Brustknospe, einer kleinen perlengrossen Kugel, die durch die Produktion von Östrogen in den Eierstöcken entsteht. Entgegen der landläufigen Meinung hört dies nicht mit dem Einsetzen der ersten Menstruation auf, sondern ist nur eines von vielen Zeichen, auch wenn es das sichtbarste und aussagekräftigste ist. Die erste Menstruation tritt 2-3 Jahre nach dem Erscheinen der Brustknospen auf, aber die Entwicklung vom kindlichen zum erwachsenen Körper vollzieht sich etwa im Alter von 8 bis 16 Jahren.

Bei Jungen ist das erste Anzeichen für den Beginn der Pubertät die Vergrößerung der Hoden, die durch das von ihnen produzierte Testosteron ausgelöst wird. 

Sollten Eltern und Verwandte die Kinder auf die Pubertät vorbereiten? Wenn ja, wie?

Ja, ich rate Eltern und/oder Verwandten ganz klar dazu, ihre Kinder auf den Übergang in die Pubertät vorzubereiten.

Erstens (und idealerweise) können sie bereits zu Hause frei über den Körper sprechen, indem sie sich trauen, dafür die richtigen Worte zu wählen und dies auf eine respektvolle und spontane Art und Weise. Kinder reproduzieren, was sie sehen. Auf diese Art wird die Beziehung zu ihrem Körper von klein auf gefördert und die Pubertät wird dann einfacher.

Eltern können auch über den Körper sprechen, indem sie die Fragen ihrer Kinder beantworten, sobald diese sich dafür interessieren. Zum Beispiel können sie auf die berühmte Frage „Wie macht man Babys?“ ihre – dem Alter des Kindes angepassten – Erklärungen mit illustrierten Büchern untermauern. Die Antworten sind manchmal viel einfacher als das, was die Eltern erwarten. Die Frage des Kindes umzuformulieren kann ihnen auch dabei helfen, herauszufinden, was das Kind wirklich erwartet. Ich rate auch immer dazu, die Körperteile klar zu benennen, wenn man sich auf die Anatomie bezieht. Dadurch kann die Entstehung von Tabus vermieden werden.

«Die klare Benennung von Körperteilen, wenn man sich auf die Anatomie bezieht, hilft, die Entstehung von Tabus zu vermeiden.»

Zweitens können die Eltern ihr Kind mit dem Begriff der Zustimmung vertraut machen: „Dein Körper gehört dir“. Sie können ihnen helfen zu verstehen, dass man seinen Körper nicht einfach irgendwo und irgendwie entdeckt. Man pflegt seinen Körper, wäscht sich die Hände und setzt sich an einen angenehmen, vor Blicken geschützten Ort, um mit seiner Intimsphäre allein zu sein und die Geheimnisse seiner Genitalien zu entdecken. Eltern können ihrem Kind vorschlagen, einen kleinen Spiegel zu benutzen, um sich allein besser beobachten und berühren zu können, oder auch zu zeichnen oder zu schreiben. Sich auszudrücken hilft, die Realität bewusster wahrzunehmen.

Drittens sollten Eltern Ihrem Kind vermitteln, dass Veränderungen des Körpers normal sind, auch wenn sie nicht unbedingt angenehm sind.

Schliesslich können Eltern ihrem Kind erklären, dass wir alle einzigartig sind und dass es so viele verschiedene Vulva- und Penisformen gibt wie Körper auf der Welt. Der Vergleich ist erdrückend und kann zu Unwohlsein oder tiefen Komplexen führen, die uns hemmen. Das Ziel ist in jedem Fall, das Kind zu begleiten, damit jede/r ihre/seine Identität, ihr/sein Geschlecht und ihre/seine sexuelle Orientierung entdecken und darüber entscheiden kann.

Illustration : Anna Moderska Kaleio Nr.10: Welt ohne Erwachsene

Was steht in dieser Phase bei Kindern und Jugendlichen auf dem Spiel? Wie sieht es in der Familie aus?

Die Herausforderungen für die Eltern und die Teenager sind vielfältig. Die Pubertät ist eine Zeit des intensiven physischen, psychischen und sozialen Wachstums. Der Körper des Kindes verändert sich schnell, was zu Umwälzungen in der Persönlichkeit und im Verhalten führt. Die Herausforderung besteht also darin, die Verhaltensweisen, die aus dem Unbehagen über diese Entwicklungen resultieren, zu beobachten, aufzunehmen und zu verstehen.

Zunächst einmal wird sich der/die Heranwachsende immer mehr von seinen/ihren Eltern abgrenzen, hat dabei aber immer noch das Bedürfnis, die Gewohnheiten eines Kindes beizubehalten. In diesem Fall ist es wichtig, den Dialog zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten, um die Verbindung zu behalten. Zweitens können die pubertären Veränderungen, insbesondere die körperlichen, für die Jugendlichen unangenehm sein. Im Spiegel zu sehen wie der eigene Körper sich verändert, erfordert Akzeptanz und Identifikation und ist ein individueller Prozess, der für jede und jeden anders ist.

Andererseits müssen die Eltern auch auf die verschiedenen Schwierigkeiten, Störungen oder Krankheiten achten, mit denen der/die Jugendliche konfrontiert sein kann. Mobbing, Sexualität, das Umfeld, die ersten Dates, die Einstellung zur Schularbeit oder auch das Suchen von Nervenkitzel über Extremsportarten, Alkoholkonsum, illegale Substanzen oder Kleinkriminalität führen zu Versuchungen, wecken Interesse und erzeugen Aufregung. Darüber hinaus ist der/die Jugendliche einem vielfältigen Druck ausgesetzt: dem Druck der Gruppe, der Gesellschaft, der Schule und der Eltern. All das bedeutet eine Menge Wahlmöglichkeiten für Teenager: Welchen Weg soll man einschlagen? Für die Jugendlichen ist es oft kompliziert, sich dem Gruppeneffekt zu widersetzen, indem sie z. B. einen illegalen Vorschlag ablehnen. Für die Eltern bedeutet dies, die Kommunikation, einen sicheren Rahmen und eine Bindung aufrechtzuerhalten – was sich manchmal als sehr komplex erweist.

Kurz gesagt: Die Familie und das Kind werden Konflikte, Krisensituationen und Schwierigkeiten erleben. Ich empfehle den Eltern, sich von Spezialist:innen, Vereinen, der Familienplanung, Institutionen wie der Berner Gesundheit (für den Kanton Bern) oder ihrem Kinderarzt/ihrer Kinderärztin helfen zu lassen.

Crédits : Aurélie Morard

Warum führen diese inneren (und äusseren) Veränderungen zu einem veränderten Verhalten des Kindes? Ist der Konflikt unvermeidlich? Oder sogar notwendig, um diese Metamorphose zu ermöglichen?

Die Pubertät vollzieht sich nicht nur auf körperlicher Ebene. Die pubertären Bewegungen vollziehen sich auch auf psychischer und sozialer Ebene. Diese Ebenen interagieren miteinander, was die ganze Zeit der Pubertät komplexer macht. Auch das Gehirn durchläuft Veränderungen. Die hormonellen Veränderungen in der Pubertät erfordern einen hohen Energieaufwand. Das alles ist für die Jugendlichen und ihr Umfeld anstrengend und kann für beide Seiten verwirrend sein. Die vielen Veränderungen führen zu neuen Gefühlen und beeinflussen die Persönlichkeit des Kindes, seine Gefühle und sein Denken. Es versucht, sich mit Gleichaltrigen zu identifizieren, sich von den Eltern zu distanzieren, einen Stil zu finden, mit dem es sich wohl fühlt, und neue Eindrücke zu gewinnen.

Dies führt häufig zu Opposition, Rebellion, Demonstration und Identitätssuche. Ja, manchmal brauchen Kinder Konflikte, um sich weiterzuentwickeln, aber das gilt nicht für alle. Der Konflikt ermöglicht es, Wut und Zustimmung auszudrücken und zu jeder abweichenden Meinung Stellung zu beziehen.

Und gerade Eltern können sich manchmal hilflos fühlen und haben dann das Gefühl, nicht mehr mit ihren Kindern kommunizieren zu können, oder sie in manchen ihrer Einstellungen nicht mehr wieder zu erkennen.

Sie haben sich zur Metamorphose-Doula ausbilden lassen. Was ist das ist und wie hängt das mit der Pubertät zusammen?*

Eine Metamorphose-Doula ist eine von der Schule der Metamorphose ® ausgebildete Doula, die junge Mädchen auf dem Weg in die Pubertät begleiten will. Im Allgemeinen ist eine Doula eine Person, die Frauen, Kinder und Familien in wichtigen Lebensphasen (wie Schwangerschaft, Menopause oder Tod) begleitet. Die Pubertät gehört zu diesen grossen Transformationsprozessen dazu.

Mit ihrem sich verändernden Körper und den intensiven Gefühlen, die damit verbunden sein können, kann jede junge Frau das Bedürfnis verspüren, in dieser entscheidenden Phase ihres Lebens von Sanftheit und Wohlwollen umgeben zu sein. Die Metamorphose-Doula ist da, um die Ressourcen und Werkzeuge anzubieten, die das Mädchen braucht, um ihm anatomische und physiologische Kenntnisse auf spielerische Weise mit den richtigen Worten (wie Vulva, Gebärmutter, Klitoris, Haare …) zu vermitteln und um einen sicheren, nicht wertenden Raum für den Austausch zu schaffen. In den Workshops lernen die Mädchen :

  • sich selbst in ihrer Pubertät zu verorten;
  • zu entdecken und zu verstehen, wie sich ihr Körper verändert, um ihn sich voll und ganz aneignen zu können;
  • sich auf das Einsetzen ihrer ersten Menstruation vorzubereiten;
  • besser mit den Emotionen umzugehen, die sie in dieser Zeit durchleben;
  • anderen jungen Mädchen zuzuhören und sich mit ihnen auszutauschen.

Die Doula unterstützt auch die Eltern, da die Pubertät ihres Kindes je nach ihren Erfahrungen eine komplizierte Zeit für sie sein kann. Im Laufe des Jahres 2023 werden die Metamorphose-Doulas auch die Jungen auf ihrem Weg in die Pubertät begleiten. Wir freuen uns darauf!

* Die Antwort wurde in Zusammenarbeit mit Aurélie Morard, Mitbegründerin von La Magie de la Métamorphose ® und Verantwortliche für die Schweiz, verfasst.

Crédits : Aurélie Morard

Welche Werkzeuge stehen den Eltern zur Verfügung? Welche Methoden sollten sie anwenden oder an welche Türen klopfen, wenn sie Hilfe brauchen?

Zunächst einmal rate ich, die Verbindung aufrechtzuerhalten, indem man sich für die Aktivitäten seines Teenagers interessiert, versucht zu verstehen, was er/sie durchmacht oder fühlt, und darauf achtet, dass der/die Jugendliche immer einen vertrauenswürdigen Erwachsenen hat, mit dem er/sie sich austauschen kann. Die Anwendung der gewaltfreien Kommunikation, der systemischen Grundlagen, das Sprechen in der „Ich-Form“ oder das Zurücktreten bei Konflikten oder komplizierten Situationen helfen, die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern entspannter zu gestalten. Es lohnt sich ausserdem, keine Angst davor zu haben, Tabus zu brechen und über Probleme zu sprechen. Schwierigkeiten anzusprechen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke! Es ermöglicht, Grenzen und Fehler einzugestehen, sich selbst in Frage zu stellen, um Lösungen zu finden, und festzustellen, dass auch andere diese stürmischen Zeiten durchmachen. Reden und um Hilfe bitten ist ein wichtiger Schlüssel für das Gleichgewicht in der Familie.

Dann können sich Eltern an bestehende Unterstützungsmöglichkeiten wenden: Schulsozialarbeiter:innen oder Mediator:innen in Schulen, Jugendzentren, Gesundheitsexpert:innen, Vereine oder auch Elterncafés in familienfreundlichen Einrichtungen.

Eltern haben auch die Möglichkeit, ihr Kind für einen Workshop anzumelden, wie ich ihn mit Lunado anbiete, um die Adoleszenz, die Elternschaft mit Jugendlichen oder andere Themen im Zusammenhang mit dieser intensiven Zeit der Pubertät (Sexualität, Beziehungen zwischen Gleichaltrigen, Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen, Menstruation usw.) zu enttabuisieren.

Schliesslich möchte ich Eltern raten, daran zu denken, dass sie, wenn sie am Ende, erschöpft oder völlig hilflos sind, rund um die Uhr die Pro Juventute Elternberatung anrufen können (058/261.61.61), oder sie per E-Mail oder Nachricht auf https://www.projuventute.ch/de/elternberatung kontaktieren können. Für Kinder und Jugendliche gibt es auch die Nummer 147, die sie bei jedem Problem, im Notfall oder bei sonstigen Anliegen jederzeit anrufen können.

Wir alle haben das Recht, uns verletzlich, verloren oder in einer Sackgasse zu fühlen. Wir sind Menschen und alle Emotionen sind positiv, weil sie uns Informationen darüber geben, wie wir uns fühlen und wie wir funktionieren. Ich habe hier die für mich wichtigsten Türen genannt, aber es gibt natürlich noch viele andere Quellen der Unterstützung.


Dieser Artikel ntstand auf Initiative und in Zusammenarbeit mit Hashtagviedeparents, der schweizerischen und französischsprachigen Plattform, die sich ohne Tabus dem Thema Elternschaft widmet. Die von Cleoriana Cuadr und Magda Talan geleitete Plattform bietet Veranstaltungen für werdende oder aktuelle Eltern zu Themen, die in unserer Gesellschaft oft tabu sind. Die Veranstaltungen von Hashtagviedeparents, die immer gemeinsam mit Fachleuten konzipiert werden, finden als Pop-up-Veranstaltungen in verschiedenen Formaten in der ganzen Schweiz statt. Für alle ihre Veranstaltungen zieht Hashtagviedeparents Spezialist:innen heran, wie hier Stephanie Torrisischild für dieses Interview, in Zusammenarbeit mit Aurélie Morard, Mitbegründerin von La Magie de la Métamorphose ® und Verantwortliche für die Schweiz.

© Bérangère P Photographie


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