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Lasst uns über Pornos reden, auch mit Mädchen!

Collage Titelbild: © Anna Lach- Serediuk/Kolażanki

Ist Pornografie eine reine Jungsangelegenheit? Nicht nur! Heutzutage sehen sich immer mehr Mädchen als Teenager Pornos an. Tun sie es nicht selbst, sind sie dennoch davon betroffen, wenn sich Jungen in ihrem Umfeld Pornografieansehen. Es ist also an der Zeit, auch mit Mädchen darüber zu sprechen.

Coline de Senarclens ist Spezialistin für Gender- und Sexualitätsthemen und Autorin von «Porno,parlons-en !» (zu dt: «Lasst uns über Porno reden!», Favre Verlag). Ihr Buch, mit einem Vorwort der Schweizer Organisationen ProJuventute und Sexuelle Gesundheit Schweiz, lädt uns dazu ein, Angst und Tabus zu überwinden, um mit Kindern und Jugendlichen in einen gelassenen Dialog treten zu können.

Kinder und Jugendliche haben heute immer leichteren Zugang zu kostenloser Pornografie. Das führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in immer jüngerem Alter Pornos ansehen. Diese besorgniserregende Tatsache führt zu einem starken Gefühl der Panik und Hilflosigkeit, vor allem bei Eltern, weil wir glauben, wir hätten keinen Einfluss auf die Situation. Das beraubt uns unserer Handlungsfähigkeit.

«Insbesondere bei Mädchen liegt es an uns, ihnen das Selbstvertrauen zu geben, das es ihnen ermöglicht, sich von den Rollenbildern abzugrenzen, die man in Pornos findet

Um unsere erzieherische Rolle wahrnehmen zu können, müssen wir diese Panik durchbrechen. Der Konsum von Pornografie unter Jugendlichen ist nicht neu, und in einem Alter, in dem Jugendliche ihre Sexualität entdecken, ist die Neugier an Pornografie etwas ziemlich Normales. Kein Grund zur Panik also! Was wir als Eltern allerdings tun können, ist, unseren Kindern das nötige Rüstzeug mitzugeben, damit sie lernen, mit diesen Inhalten umzugehen, wenn sie damit in Berührung kommen. Insbesondere bei Mädchen liegt es an uns, ihnen das Selbstvertrauen zu geben, das es ihnen ermöglicht, sich von den Rollenbildern abzugrenzen, die man in Pornos – und überall sonst – findet.

Positive Sexualerziehung

Eine positive Sexualerziehung konzentriert sich auf den positiven Umgang mit Sexualität und die Freude am Körper. Sie betrachtet Lust und Vergnügen (sei es einfach nur körperlich oder später auch sexuell) als wichtigen Kompass, um zu wissen, was man will, und um dies mit Überzeugung ausdrücken zu können (und damit ebenso zu wissen und auszudrücken, was man nicht will): Das Essen, das man gerne isst, die Klamotten, die man gerne trägt, diese Freuden sollten wertgeschätzt und respektiert werden, um den Mädchen Selbstvertrauen und Validität zu geben.

«Indem wir Körperteile von klein auf mit Namen benennen, bekämpfen wir Tabus

Diese Art der Erziehung möchte Wissen und Kenntnisse vermitteln, zum Beispiel indem Körperteile von klein auf mit Namen benannt werden. Dadurch werden Tabus bekämpft. Vulva, Klitoris, innere und äussere Vulvalippen und Anus sind Teile unseres Körpers. Wir sollten sie kennen und in jedem Alter in der Lage sein, sie zu benennen, um Bedürfnisse auszudrücken oder Missbrauch zu signalisieren. Aus denselben Gründen ist es wichtig, positiv und altersgerecht über Sexualität zu sprechen.

Positive Sexualität hat zwei Seiten: die der Lust und die des Konsens. Beide gehören zusammen. Positiv über Konsens zu sprechen ist von grundlegender Bedeutung, damit unsere Töchter ihre Grenzen erkennen und ausdrücken können, aber auch, damit sie lernen, die Grenzen anderer (einschliesslich unserer eigenen) zu respektieren. Die Grenzen der anderen zu respektieren ist auch eine wichtige Grundlage für Selbstvertrauen: Ich weiss, was ich mag, ich weiss, was ich nicht mag, all das ist valide, und ich habe das Selbstvertrauen, es auszudrücken.

Kritische Kulturerziehung

Kinder konsumieren viel Kultur in verschiedenen Formen. Wir können sie dabei begleiten und uns mit unseren Töchtern über diese Inhalte austauschen. Es ist hilfreich, sich für das, was sie sich ansehen, zu interessieren und keinen herablassenden Blick zu haben, um ihr Selbstvertrauen in sich und ihr Vertrauen in uns zu stärken. Dies ermöglicht es uns, gemeinsam einen kritischen Blick auf sexistische Inhalte oder Klischees und Glaubenssätze (insbesondere Heteronormativität) zu werfen, die darin (ebenso wie in der Pornografie) enthalten sind.

Es kann sogar zu einem Spiel werden, kritisch auf die sozialen Geschlechterrollen oder den Male Gaze[1] (diesen männlichen Blick, der Frauen objektiviert), hinzuweisen. Stehen die Frauen im Mittelpunkt der Geschichte? Oder sind ihre Erfahrungen und Emotionen nur dazu da, um der männlichen Erzählung zu dienen? Dieser kritische Blick wird den Kindern im Leben sehr nützlich sein – gerade im Hinblick auf Pornografie.

Digitale Bildung 

Die digitale Welt steht heute im Zentrum des Lebens junger Menschen. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, um nicht in Panik zu verfallen oder Werteurteile zu fällen. Die digitale Nutzung zu respektieren ist wichtig für das Vertrauen und das Selbstbewusstsein der Mädchen. Auch beim Erfahren und Erkunden ihrer Sexualität spielt die digitale Welt eine Rolle, sowohl als Informationsquelle als auch als Ort des Austauschs. Das Handy ist die Verlängerung des Schlafzimmers, und es ist wichtig, eine gewisse digitale Intimität zu wahren.

«Was im Internet passiert, ist real.»

Die Regeln, die das Leben bestimmen, gelten auch in digitalen Räumen, insbesondere der Respekt vor anderen und das Akzeptieren von Grenzen im gegenseitigen Einverständnis. Wie im eigenen Haus entscheiden wir, wer in unsere digitalen Räume eintritt und wen wir ausschliessen. Zu wissen, was man mag und was nicht, und dies auch durchzusetzen, gilt auch dort: Jeder und jede von uns entscheidet.

Digitale Praktiken zu respektieren und ihnen Bedeutung beizumessen, bedeutet, die Handlungsfähigkeit von Mädchen im Internet zu stärken.

Zum Schluss

Diese drei Aspekte unserer Erziehung stärken unsere Töchter in ihrer (zukünftigen) Sexualität und ermöglichen es ihnen zu verstehen, welche Aspekte in der Kultur (insbesondere der pornografischen), der Gesellschaft und im Internet eine Rolle spielen. Mädchen zu stärken ist der beste Weg, um die Risiken zu verringern, die mit diesem wichtigen Lebensabschnitt verbunden sind: diesem Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter.

Zusammenfassend drei wesentliche Tipps.
Für einen konstruktiven Umgang mit Pornografie braucht es:

eine positive Sexualerziehung, die Lust, Wissen und Zustimmung in den Mittelpunkt stellt.
eine kritische kulturelle Bildung, die im Austausch stattfindet, und Sexismus, Male Gaze und die Vergewaltigungskultur dekonstruiert.
eine digitale Bildung, die auf Vertrauen und Respekt für den digitalen Raum von Mädchen basiert, in der Konsens ebenfalls die Regel ist.

Weitere Ressourcen findest du unter: www.pornoparlonsen.ch (derzeit nur auf Französisch verfügbar).

[1] Hör dir dazu den Audiobeitrag «Male Gaze – Wenn Männer Frauen zu Objekten machen» auf Deutschlandfunk Nova an: https://www.ardaudiothek.de/episode/kurz-und-heute-deutschlandfunk-nova/male-gaze-wenn-maenner-frauen-zu-objekten-machen/deutschlandfunk-nova/85668406/ 


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