Körperpositive Erziehung und Selbstakzeptanz: Tipps von Stilberaterin Karine Rueda

Collage Titelbild © Anna Lach-Serediuk.

Karine Rueda, alias Mademoiselle Karine, ist vierfache Mutter und Stilberaterin. Auf Instagram wirbt sie für einen positiven Umgang mit dem eigenen Körper. Im Interview hat sie uns erzählt, was Mode mit Empowerment zu tun hat, wie sie Frauen hilft, sich in ihrem Körper wohlzufühlen und wie wir unseren Töchtern ein positives Körpergefühl vermitteln können. 

Karine, du bist Stilberaterin und sagst von dir selbst, mit Stereotypen brechen zu wollen. Wie geht das zusammen? 

Zu mir kommen viele Mütter, die seit der Geburt ihrer Kinder mit ihrem Körper hadern und sich nicht mehr wohlfühlen. Wir sprechen dann darüber, wie unterschiedlich das Volumen bei jedem Menschen verteilt ist. Es gibt grosse, kleine, breite, dünne, ältere und jüngere Menschen. Es gibt keinen guten oder schlechten Körperbau! Wir schauen uns gemeinsam an, wie sie ihren Körper betonen können oder was ihnen gutsteht und worin sie sich wohl und schön fühlen. Anstatt sich auf das zu konzentrieren, was nicht gefällt, verlagern wir in der Beratung den Blick auf das Positive. 

Wie gehst du dabei vor?

Ich möchte keine strengen Regeln festlegen. Es geht nicht darum, etwas zu müssen, sondern herauszufinden, welche grossartigen Möglichkeiten es gibt. Ich stehe beratend zur Seite und mache Vorschläge. Über Social Media versuche ich ausserdem, eine Inspirationsquelle zu sein. Manche schreiben mir und bedanken sich, weil sie sich jetzt zum Beispiel trauen, mehr Glitzer zu tragen und es Freude in ihr Leben bringt. Ich mag es, Leute zu inspirieren und zu sagen: Probier’s mal anders.  

Du siehst Stilberatung also als einen Weg, Frauen zu empowern? 

Ja! Wir fühlen uns stärker, wenn wir uns in unserer Haut wohl fühlen. Und dazu gehört auch die richtige Kleidung. Ich hatte einmal eine Kundin, die mich während einer Beratung fragte, ob ich immer geschminkt und frisiert sei. Dem ist natürlich nicht so. Aber es stimmt, dass ich mir morgens gerne Zeit für mich nehme. Deshalb stehe ich immer etwas früher auf als die Kinder, um mich in Ruhe fertig zu machen. Dieser Moment am Morgen gehört nur mir. Das gibt mir Kraft. Ich sehe viele Menschen, die einen sehr eng gestrickten Terminplaner haben und sich sagen: «Ich ziehe eine Jeans, Turnschuhe und einen Pullover an. Das reicht!» Ich möchte diesen Menschen zeigen, dass es so viele andere Möglichkeiten gibt. Und da geht es nicht nur um die Kleiderwahl. Ich möchte sie einladen, ihre Denkweise zu verändern und sich bewusst zu machen, wie sie selbst leben (wollen). Oft geht es darum, im Alltag super effizient zu sein, aber in Wirklichkeit wissen wir nicht wirklich, wer wir sind. 

Berätst du auch Männer?

Ja, aber Männer melden sich tatsächlich sehr viel seltener an. Ich mache das jetzt seit einigen Jahren und habe bisher vier oder fünf Männer beraten. 

Mademoiselle Karine

Karine Rueda (39) lebt mit ihrer Familie in Fribourg, im französischsprachigen Teil der Schweiz. Sie engagiert sich in ihren Beratungen dafür, Frauen ein positives Körperbild zu vermitteln. Seit 2016 inspiriert sie ihre Community auch auf Instagram und YouTube. Erfahre hier mehr über sie und ihre Arbeit: https://www.mademoisellekarine.ch/ Oder schaue bei Instagram vorbei: @mademoiselle_karine

Nun ist es trotzdem eine Aktivität, die sehr stark auf das Äussere fokussiert ist. Wie vermittelst du deinen vier Kindern einen positiven Umgang mit ihrem Körperbild und vermeintlichen Schönheitsidealen? 

Sowohl meinen Kindern als auch meinen Klientinnen möchte ich vermitteln, sich immer zuerst die Frage zu stellen: Was trägst du selbst gerne? Wie fühlst du dich selbstbewusst? Was gibt dir Kraft? Meinen Kindern wollte ich immer die Freiheit lassen, sich zu kleiden, wie sie möchten. Aber manchmal tickt auch bei mir der kleine Alarm: «Was werden die anderen denken? Ist die Hose zu kurz, das Oberteil zu durchsichtig? Oder ist es zu viel dieses oder zu wenig jenes?» Davon möchte ich mich befreien. Ich sehe das heute als ihre eigene Kreativität, die ihnen gehört.  

Wobei der Grat manchmal schmal ist. Gerade Kinder können untereinander sehr gemein sein. Und durchsichtige oder zu kurze Kleidung kann noch andere Risiken mit sich bringen. Wie schützt du deine Kinder davor? 

Ich versuche immer, ein Gespräch zu führen. Wenn es morgens um 7:15 Uhr ist und wir um 7:20 Uhr losfahren, dann ist das natürlich schwierig. Wenn sie etwas Auffälliges tragen, erkläre ich ihnen aber immer: «Hör zu, das ist nach den Standards sehr kurz. Wenn du dich so anziehst, dann werden die Leute dich anschauen. Du musst wissen, wie du dich in Bezug auf diese Blicke fühlst. Ist es okay für dich? Oder hast du eigentlich keine Lust, Aufmerksamkeit zu erregen?» Ich möchte, dass sie lernen, das selbst entscheiden zu können und vor allem zu sich und ihren Entscheidungen zu stehen. 

Welchen Rat würdest du anderen Müttern geben, um ihren Töchtern Selbstbewusstsein und ein positives Körpergefühl mitzugeben? 

Es macht mich immer ein bisschen traurig, wenn ich Mütter sehe, die mit ihren Körpern hadern. Ich möchte ihnen vermitteln, dass sie ein Vorbild für ihre Töchter sind. Selbst wenn sie ihnen sagen, du bist schön, sehen und hören die Mädchen die Selbstkritik ihrer Mütter. Da müssen wir uns immer fragen: Welche Botschaft vermittele ich meiner Tochter damit? Nur wenn auch wir damit aufhören, unser Äusseres abzuwerten, können wir diesen Teufelskreis stoppen und unseren Mädchen vermitteln, dass sie so wie sie sind gut sind.  

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