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Sex Education: Warum wir im Unterricht über Pornos sprechen sollten (und wie das gelingen kann)

Collage Titelbild: © Anna Lach- Serediuk/Kolażanki

In der Schule wird nicht oder kaum über Pornografie gesprochen. Dabei ist der Pornokonsum bei immer jüngeren Kindern ohne Frage eine Herausforderung, der auch Lehrpersonen begegnen (müssen). Diese sind damit oft überfordert. Doch es gibt für jedes Alter Strategien, um konstruktiv über Pornografie zu sprechen und gleichzeitig eine angemessene Haltung zu bewahren.

Coline de Senarclens ist Spezialistin für Gender- und Sexualitätsthemen und Autorin von «Porno,parlons-en !» (zu dt: «Lasst uns über Porno reden!», Favre Verlag). Ihr Buch, mit einem Vorwort der Schweizer Organisationen ProJuventute und Sexuelle Gesundheit Schweiz, lädt uns dazu ein, Angst und Tabus zu überwinden, um mit Kindern und Jugendlichen in einen gelassenen Dialog treten zu können.

Immer mehr Jugendliche geben zu, dass sie bereits Pornografie gesehen haben, und zwar in einem Alter, das weit unter dem liegt, was das Gesetz zulässt. Der Pornokonsum bei Jugendlichen ist zwar nicht neu, aber der aktuell sehr freie Zugang stellt unseren Umgang damit und unser Bildungsprogramm vor eine Herausforderung. Und das in einem Klima, in dem sich Spannungen rund um die Sexual- und Digitalerziehung herauskristallisieren. Dennoch gehört es zu den Aufgaben von Lehrpersonen, für die Jugendlichen da zu sein und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Deshalb sollten sie unbedingt ihren Handlungsspielraum definieren.

In der Schweiz gibt es ausgebildete Fachkräfte für sexuelle Gesundheit, die in der Lage sind, auf Fragen zum Sexual- und Gefühlsleben auf altersgerechte Weise und mit bewährten Hilfsmitteln einzugehen. Zögere nicht, dich bei Bedarf an sie zu wenden. Das muss dich natürlich nicht davon abhalten, gleichzeitig Aktivitäten zu entwickeln, die den Jugendlichen helfen, sich über Pornografie Gedanken zu machen. Wichtig ist hier, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Es muss nicht explizit um das Thema Pornografie gehen. Gib den Jugendlichen die Werkzeuge an die Hand, die ihnen helfen werden, sowohl mit Pornografie als auch mit allen anderen Lebensthemen umzugehen. 

Ich konzentriere mich in diesem Artikel auf drei Vorschläge. Du kannst mich gerne kontaktieren, um dich mit mir darüber auszutauschen, oder mein Buch «Porno,parlons-en» (leider bisher nur auf Französisch verfügbar) lesen, das viel tiefer geht. Mach dir diese Ideen zu eigen und werde kreativ! Du kennst deinen Beruf und deine Schüler:innen besser als jede:r andere.

Über Einverständnis, Lust und sexuelles Vergnügen sprechen (geeignet ab der 1. Klasse)

Du musst nicht über Sexualität und schon gar nicht über erwachsene, genitale Sexualität sprechen, um diese Themen zu behandeln. Das Ziel ist vielmehr, deinen Schüler:innen zu helfen:

  • izu erkennen, was sie mögen und was sie nicht mögen.
  • in der Lage zu sein, dies auszudrücken.
  • zu zeigen, dass die eigenen Wünsche und Vorlieben (nicht nur im Bereich der Sexualität) wichtig und legitim sind.

Idee für eine Aktivität: Schlag deinen Schüler:innen am Ende des Tages oder der Woche vor, an einen Moment oder eine Aktivität zu denken, die sie genossen haben. Gleichzeitig sollen sich einen Moment vergegenwärtigen, der für sie nicht angenehm war. Schlag ihnen vor, dies auszudrücken. So wertschätzt du, wie wichtig es ist, Wünsche, Abneigungen und Grenzen zu äussern. Du kannst die gleiche Art von Aktivität mit Bildern, Geschmäckern, Hobbys usw. durchführen, um zu zeigen, dass auch der Körper «seine Vorlieben» hat und dass es vorteilhaft ist, dies auszudrücken. Diese Übung ist wertvoll und wird den Schüler:innen ihr ganzes Leben lang von Nutzen sein!

Über Sexismus in der Kultur sprechen (geeignet ab der 4. Klasse)

Hilf deinen Schüler:innen, Folgendes zu identifizieren:

  • Vergewaltigungskultur / Rape Culture (die sexuellen Missbrauch beschönigt, romantisiert oder entschuldigt)
  • Doppelstandard (die unterschiedliche Bewertung desselben Verhaltens u.a. aufgrund des Geschlechts)
  • soziale Geschlechterrollen und Glaubenssätze (insbesondere Heteronormativität)
  • Male Gaze (der männliche Blick, der Frauen objektiviert und ihre Geschichten und Emotionen in den Dienst der männlichen Erzählung stellt)

Idee für eine Aktivität: Schau dir mit deinen Schüler:innen Inhalte an (z.B. den Animationsfilm Pluto : Canine Casanova oder diese Szene aus James Bond) und diskutiert darüber. Erkunde die Bibliothek, um in verschiedenen Geschichten das Geschlecht und die Rollen der Protagonist:innen zu analysieren. Hilf ihnen, Genderstereotype zu erkennen (männliche Überrepräsentation, Rollenbilder, Schemata…).

Unsere Kultur enthält viele sexistische Verzerrungen. Und wenn wir sie mögen, heisst das nicht, dass wir selbst sexistisch sind. Es ist jedoch hilfreich, wenn man in der Lage ist, diesen Sexismus zu entschlüsseln und selbst bei Inhalten, die man mag, einen kritischen Blick darauf zu haben.

Was im Internet passiert, ist real! (geeignet ab der 6. Klasse)

Sprich mit deinen Schüler:innen über:

Idee für eine Aktivität: Übt das ganze Schuljahr über, Parallelen zwischen dem wirklichen Leben und dem Internet zu ziehen. Geh von Situationen aus, die deine Schüler:innen im Internet erlebt haben, und frag sie: «Würdest du das in deinem Zimmer / im Zimmer deines Freundes / deiner Freundin tun? Würdest du das mit deinem Freund / deiner Freundin tun?» Sprich über Konsens, der auch in der digitalen Sphäre gilt: «Würdest du diese Person in dein Zimmer / an dein Tagebuch lassen? » Wenn man immer wieder solche Parallelen ziehen, übt man einen wichtigen Reflex ein: nämlich den, die eigenen Massstäbe nicht zu senken oder die Bedeutung von (insbesondere gewalttätigem) Online-Verhalten nicht zu unterschätzen.

Zusammenfassend

Der Konsum von Pornografie ist eine sexuelle, digitale und kulturelle Praxis. Es ist wichtig, über Zustimmung, Wünsche und Geschlechterrollen zu lernen, sowohl im echten Leben als auch online. Dieses Wissen hilft nicht nur im Umgang mit Pornografie, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Lebens! 

Weitere Ressourcen findestdu unter www.pornoparlonsen.ch (derzeit nur auf Französisch verfügbar). Die Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz kann dich auch beraten oder dir ausgebildete Fachpersonen in deinem Kanton vermitteln. Und wenn du mit deinen Schüler:innen bewusst über Sexualität und Sex reden möchtest, so bietet auch die Aidshilfe Schweiz tolle Workshops für Klassen an: https://www.sexualaufklaerung-schule.ch/web.php/1/de/home/willkommen


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