Wir zeigen Mädchen eine Welt voller Möglichkeiten.

«Geld ist ein emanzipatorisches Mittel» 

Frauen sollten mehr über Geld reden, findet die Bankerin und Buchautorin Mara Harvey. Sie plädiert für einen offeneren Umgang mit dem Tabuthema Geld und ermuntert Eltern, mit ihren Mädchen schon früh über Taschengeld und den Wert von Hausarbeit zu sprechen.

KALEIO: Mara, du willst das Thema Geld enttabuisieren. Ist das nötig?

Mara: Absolut! Gerade in der Schweiz – einem der wichtigsten Finanzplätze und reichsten Länder der Welt. Ausgerechnet hier spricht kaum jemand über Geld. Niemand fragt die Kolleg:innen nach deren Lohn. In vielen Familien wird Geld nicht als Thema angesehen, das man mit Kindern bespricht. Und oft liegen die Familienfinanzen und -investitionen in Männerhand. Die Folgen dieses Tabus sind weitreichend, vor allem für Mädchen und Frauen. Die wenigsten reden untereinander über ihre Finanzen.

Willst du damit sagen, dass das Tabu der Grund ist, weshalb Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, weniger Finanzrisiken eingehen und im Alter eher von Armut betroffen sind?

Natürlich sind dafür vor allem Strukturen verantwortlich. Aber damit diese sich ändern, müssen wir auch das Tabu brechen. Nur wenn ich über Geld, Lohn und die Altersvorsorge rede, mache ich mir darüber auch Gedanken und werde aktiv. Viele Frauen wissen, dass sie mit ihrem Geld mehr erreichen könnten, wenn sie es anlegen würden, anstatt es nur auf einem Bankkonto zu haben. Das Problem ist, dass viele nicht wissen, wie sie das tun sollen – und viel zu lange warten, bis sie aktiv werden. Das ist eine verpasste Chance! Hier sind auch die Banken gefordert, entsprechende Kommunikationsstrategien auszuarbeiten, die Frauen mehr ansprechen und motivieren zu investieren. In den letzten Jahren hat sich viel getan. Dennoch haben viele Banken weiterhin Mühe mit dem Thema.

Wie machst du Frauen das Thema Geld und Investitionen schmackhaft?

Geld investieren bedeutet auch, Gutes zu tun und die Welt zu verändern. Eine sinnvolle und nachhaltige Investition bringt allen Beteiligten Vorteile. Mit jedem Kaufentscheid und jeder Investition habe ich die Möglichkeit, ein Produkt, eine Firma oder Technologie zu unterstützen und zu fördern, die der Welt nicht schadet, sondern nützt. Das ist ein ermutigender Gedanke, finde ich. Während meiner Zeit bei der UBS habe ich mich immer wieder gefragt, warum wir nicht schon längst alle Probleme der Menschheit gelöst haben. Vermögen dafür wäre genug da. Das Problem ist die ungleiche Verteilung und dass ein grosser Teil des Kapitals gehortet wird und nicht dorthin fliesst, wo es am meisten gebraucht wird.

Du hast mehrere Kinderbücher geschrieben, die bereits Fünfjährigen das Thema Geld und Finanzen näherbringen. Ist das nicht zu früh?

Ich finde nicht. Je länger ich als Vermögensberaterin gearbeitet habe, desto klarer wurde mir, dass wir bei diesem Thema früh ansetzen müssen, weil unser Verhältnis zu Geld sehr früh geprägt wird. Wir müssen Mädchen wie auch Buben einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld beibringen, wenn wir uns eine Welt wünschen, in der Männer und Frauen gleichermassen an Vermögen und Investitionen beteiligt sind. Ich würde Eltern beispielsweise raten, Kindern Taschengeld zu bezahlen für ausgewählte Arbeiten, die sie im Haushalt erledigen. So lernen sie, welchen Wert ihre Arbeit hat und wie sie diesen verhandeln, was insbesondere für Mädchen sehr wichtig ist. Auf diese Weise erfahren sie Selbstwert und lernen einen eigenverantwortlichen Umgang mit Geld.

Reichtumg

Wertvolle Tipps, wie wir Kindern den Umgang mit Geld beibringen können, findest du hier.

Aber ist es nicht schade, allem ein Preisschild zu geben? Geld ist doch nicht alles im Leben!

Selbstverständlich nicht. Doch wir dürfen nicht unterschätzen, was für einen Einfluss Geld auf Lebensläufe hat. Eigenes Geld zu haben bedeutet für mich vor allem Unabhängigkeit. Es gibt mir die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Es ist ein emanzipatorisches Mittel. Meine Mutter hat ihre Arbeit und ihr Umfeld aufgegeben für die Familie. Als ich 11 Jahre alt war, hat mein Vater uns verlassen. Während wir vorher zur höheren Mittelschicht gehörten, lebten meine Mutter, Schwester und ich danach in sehr bescheidenen Verhältnissen. Ich hatte damals zwar nicht das Gefühl, dass mir etwas gefehlt hätte. Meine Mutter hat auf vieles verzichtet, damit wir Kinder mehr hatten. Trotzdem hat mich dieses eher prekäre Umfeld geprägt.

Inwiefern?

Ich hatte keine grossen Ambitionen und Träume. Dafür war schlicht kein Platz. Zwar hat meine Mutter nach der Trennung mir und meiner Schwester immer eingebläut, dass wir finanziell unabhängig sein müssten. Gleichzeitig riet sie mir, auf Sprachen zu setzen, mit der Begründung, eine vielsprachige Sekretärin finde immer Arbeit. Von einem Studium – das wir uns eh nicht leisten konnten – oder gar einer Karriere bei einer Weltbank hätte ich damals niemals zu träumen gewagt, geschweige denn mir so etwas zugetraut.

Trotzdem hast du am Ende studiert und 21 Jahre bei der UBS gearbeitet, wo du Leiterin für private Vermögensverwaltung in mehreren Ländern warst 

Das verdanke ich nicht zuletzt dem damaligen Leiter der Kaufmännischen Berufsschule in Bellinzona, der mich und meine Mutter davon überzeugte, dass ich studieren sollte. Ich bin ihm bis heute dankbar dafür, dass ich dank seiner Ermutigung ie Universität besucht und mein Doktorat mit der höchsten Auszeichnung beendet habe.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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