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Für mehr Gleichberechtigung in der Welt der Comics

Mireille Lachausse ist Illustratorin und Comic-Autorin, lebt in Aigle im Kanton Waadt und liebt ihren Beruf. Im Gespräch berichtet sie über Sexismus in ihrem Arbeitsumfeld, sagt aber auch, dass sich die Situation in den letzten Jahren verbessert hat. Diese Verbesserung ist das Ergebnis des Engagements verschiedener Kollektive, die sich für mehr Gleichberechtigung in der Comicbranche und für eine bessere Inklusion von Illustratorinnen einsetzen.

Selbstporträt. © Mireille Lachausse.

KALEIO: Woran arbeitest du zurzeit?

Mireille Lachausse: Ich arbeite gerade an der Fortsetzung des Buches „50 sensationelle Schweizerinnen“, in dem 50 Porträts von außergewöhnlichen Frauen vorgestellt werden. Dieser zweite Band wird von 50 Frauen und Männern handeln, die in die Schweiz eingewandert sind und einen besonderen Lebensweg haben. Außerdem arbeite ich an der Fortsetzung von „Kira und Kooki“, dem Comic von KALEIO. Und dann illustriere ich noch ein Buch mit Märchen aus dem Jura, die aus dem dortigen Dialekt transkribiert wurden. Ich komme ebenfalls aus dem Jura und es ist der Dialekt meiner Großmutter. Ich freue mich also sehr, an diesem Thema zu arbeiten.

Wie bist du Illustratorin geworden?

Ich habe schon immer gerne gezeichnet und Geschichten erzählt. Und Comics verbinden beides miteinander. Irgendwann wurde das Zeichnen zu einer Leidenschaft, die sich im Teenageralter noch verstärkte. Ich habe mich dann für eine Kunstschule entschieden. Aber es ist nicht unbedingt einfach, Arbeit im künstlerischen Bereich zu finden.

Ihr neuer Comic „Bleu de Gênes“ erscheint  offiziell im März bei Splotch! © Mireille Lachausse.

Mit welchen Schwierigkeiten warst du konfrontiert?

Es ist ein Beruf, bei dem es viel mehr um Kontakte als um Talent geht. Ich stimme natürlich zu, dass Talent und Arbeit sehr wichtig sind, aber in diesem Milieu darf man die Kontakte wirklich nicht vernachlässigen. In den letzten Jahren sind deshalb immer mehr Illustratorinnenverbände entstanden, in denen es für Frauen leichter ist, Kontakte zu knüpfen und einen Platz zu finden. Die Frauen dort sind sehr integrativ und bieten die Möglichkeit, andere Illustratorinnen oder Verlegerinnen zu treffen und so die eigene Kunst zu fördern.

Es ist also schwieriger, sich als Frau in dieser Branche zu etablieren?

Ich habe den Eindruck, dass es besser geworden ist. Vor etwa zehn Jahren war die Comicbranche vor allem eine von Männern dominierte Welt. Es war nicht einfach, als Frau oder auch als Person mit Migrationshintergrund in der Szene anzukommen und in die Gruppe aufgenommen zu werden. Das hat sich im Jahr 2013 geändert, als die französische Comicautorin Lisa Mandel eine Diskussion über Frauen in derComicbranche in Gang brachte. Das führteunter anderem zur Gründung des Kollektivs „BD-égalité“ (auf Deutsch: Comic und Gleichberechtigung: https://bdegalite.org/) [ein Kollektiv, das sich gegen jede Form von Sexismus in der Comicbranche einsetzt; Anm. d. Red.] Auf diese Weise gelingt es uns, uns gegenseitig zu helfen und uns einen Platz zu schaffen.

Bist du Teil dieses Kollektivs?

Nein, aber ich gehöre zum Kollektiv „La Bûche“ (auf Deutsch etwa: Der Sturz), das sich auf die Romandie konzentriert und 2015 von den Illustratorinnen Fanny Vaucher und Jenay Costantini-Loetscher gegründet wurde, um zu einer gleichberechtigteren Comiclandschaft beizutragen.

Die Illustration ist Teil des Projekts „pop-art“ im Jahr 2022 und stellt Shakespeares Ophelia dar. Jede Teilnehmerin sollte eine Figur aus der Populärkultur darstellen. Mireille hat sich für Ophelia entschieden, eine der nur zwei Frauenfiguren in Shakespeares Drama Hamlet. © Mireille Lachausse.

Es gibt also viel Sexismus in der Comicbranche?

Ich würde sagen, dass sich die Situation auch hier verbessert hat, aber das war eindeutig lange Zeit der Fall, ja. Ich habe Dinge gehört wie: „Oh, wie kann es sein, dass ein Mädchen so etwas zeichnet?“. Oder habe Diskussionen über einen angeblichen weiblichen Stil miterlebt. Ich selbst hatte noch nie Schwierigkeiten mit Verlegern, aber ich weiß von anderen Autorinnen, dass es in diesem Bereich immer wieder zu Problemen kommt. Allerdings ist die Branche in den letzten Jahren sehr viel weiblicher geworden. Das liegt auch daran, dass es sehr schwierig ist, davon zu leben. Im Allgemeinen ist die Bezahlung sehr schlecht. Die meisten Comiczeichnerinnen, die ich kenne, arbeiten nebenbei noch in anderen Berufen. Man muss sich bewusst sein, dass die Stellen für Illustrator:innen in der Schweiz sehr rar sind. Es ist einfacher, in Frankreich einen festen Job als Illustrator:in zu finden, zum Beispiel im Animationsbereich oder in einer Firma für Videospiele. Ich möchte junge Leute, die in den Beruf einsteigen wollen, nicht entmutigen. Ich würde sogar sagen, dass es sich lohnt. Ich liebe diesen Beruf. Aber es ist wichtig, all diese Aspekte im Hinterkopf zu behalten.

Was muss sich deiner Meinung nach noch ändern, um eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern in deiner Branche zu erreichen?

Um die Situation zu verbessern, muss es weiterhin Bemühungen geben, Frauen mehr Platz einzuräumen: Zum einen durch die Aufwertung ihrer Arbeit, zum anderen indem auch in den oberen Etagen der Verlage mehr Frauen eingestellt werden. Auch an den Kunstschulen sollte es viel mehr Lehrerinnen geben. Diese Veränderungen finden natürlich bereits statt, ganz einfach durch den Generationenwechsel. Frauen, die in den 1980er Jahren geboren wurden, sind bereits häufiger an Kunstschulen anzutreffen als Männer dieser Generation. Doch wenn die Netzwerke überwiegend männlich sind, bleibt das Milieu männlich geprägt. Dank der Arbeit von Initiativen wie „La Bûche“, die die Arbeit von Illustratorinnen in den Vordergrund rückt, ändert sich das.

Es gibt also noch viel zu tun, bevor man von einer echten Gleichstellung in der Comicbranche und, ganz allgemein, auch in der Literaturszene sprechen kann…

Dafür muss die künstlerische Arbeit auch finanziell eine Aufwertung erfahren. Seit einigen Jahren gibt es immer wieder Initiativen für kooperative Verlage. Gruppen von Autorinnen und Autoren schließen sich zusammen, um die klassische Art der Bezahlung in der Buchbranche zu verändern. Aber auch die Strukturen rund um die Autorinnen müssen neu gedacht werden: Der Besuch von Festivals ist ein wichtiger Teil des Berufs von Comicautorinnen und Illustratorinnen. Sie können dort ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren, ihr Netzwerk pflegen und neue Projekte finden. Aber wie ist es zu schaffen, ganze Wochenenden auf Festivals zu verbringen und sich gleichzeitig um seine Kinder zu kümmern? 


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